Warum Avioniker auch Entscheidungshelfer sind – am Beispiel des ADS-B Out Mandats

 

Um- und Nachrüstungen der Avionik sind unverzichtbar – aber nicht immer nachvollziehbar. Deshalb erklären wir das so verständlich wie möglich.

Der Avioniker Thomas Opelt spricht im Interview über Vorgaben der Luftfahrtbehörden, ein dynamisches Umfeld und autonomes Fliegen.


Flughafen Nürnberg, am Hauptsitz des Aero-Dienstes.
Es ist ein verregneter Vormittag. Thomas Opelt sitzt an einem Büroschreibtisch. Er hat sich Zeit für dieses Interview genommen (Zitat: „mindestens eine Stunde“). Dieses Büro nutzen sonst Kunden vom Aero-Dienst – Piloten oder Maintenance- und Camo-Repräsentanten –, während ihr Business Jet gewartet wird.

Im Gespräch geht es um Avionik. Diese unsichtbare Arbeit, die den Flugzeugbesitzern schwer zu vermitteln ist. Das merkt der Avioniker Opelt gerade wieder beim ADS-B Out Mandat. Der gelernte Radio- und Fernsehelektroniker bildet heute eine neue Avioniker-Generation aus und kennt die Arbeit „hinter dem Vorhang“ an Business Jets.

Wir haben uns mit ihm unterhalten – über Avionik, Kundenkommunikation und die Zukunft der Business Aviation.

Hinweis:

Dieses Interview enthält Aussagen über das ADS-B Out Mandate. Status und Regularien für dieses Mandat können sich schnell verändern. Sind Sie in der Business Aviation tätig oder besitzen Sie einen Business Jet? Dann rufen Sie uns gerne bei Fragen zum ADS-B Out Mandat an.

Herr Opelt, ADS-B Out ist eine Umrüstung an der Avionik, die bei uns in Europa schon im Juni 2020 Pflicht werden sollte, dann aber aufgeschoben wurde. Auch im Mai 2020 hatten nicht alle Betreiber von Business Jets ihre Jets umgerüstet. Ist die Relevanz von ADS-B Out bei Betreibern und Besitzern von Geschäftsflugzeugen noch nicht angekommen?


"Letztlich muss die Relevanz bei genau der richtigen Person ankommen. Nämlich dem Menschen, der auch die Entscheidung trifft und das Geld bezahlt. In unserer Branche sind häufig mehrere Personen zwischen mir, der ganz konkret die Arbeit am Flugzeug leitet, und dem späteren Nutzer des Business Jets. Wir müssen die mögliche zukünftige Wichtigkeit von ADS-B Out einfach und klar erklären, dann können das die Entscheidungsvorbereiter, also die, die zwischen Besitzer und uns als Kontakt stehen, den Entscheidern im Unternehmen genauso klar und einfach vermitteln."

ADS-B ist die Abkürzung für Automatic Dependent Surveillance - Broadcast, auf Deutsch also die automatische Übertragung von zugehörigen Beobachtungsdaten. Mit dem ADS-B kann die Flugsicherheit also Flugzeuge orten, Flugbewegungen im Luftraum überwachen und so die Luftfahrt sicherer machen. Die Zuordnung der Daten zu einem Flugzeug geschieht über die Flugnummer. Der zuständige Fluglotse weiß so jederzeit, bei welchen exakten Koordinaten sich ein Flugzeug befindet.

In den USA gilt die Pflicht zur Ausrüstung für alle Flugzeuge, die sich in Lufträumen mit Transponderpflicht bewegen, bereits seit dem 1. Januar 2020. Die EASA kündigte eine Pflicht zur Ausrüstung mit ADS-B Out für den 7. Dezember 2020 an, nachdem der Termin im Juni 2020 aufgrund der Corona-Pandemie aufgegeben wurde.

Die Entscheidung über derartige Mandate fällt die EASA (European Union Aviation Safety Agency), also die Europäische Agentur für Flugsicherheit

Herr Opelt,  Veränderungen einfach zu erklären klingt gut. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?


"Es bedeutet, technische Spezifikationen gemeinsam mit dem Ansprechpartner beim Kunden in der Komplexität zu reduzieren. Übrigens nicht nur beim ADS-B Out. Der technische Hintergrund ist dem Nutzer des Business Jets fast immer egal, er will einfach nur fliegen. Aber unsere Ansprechpartner müssen eine gute Entscheidung treffen. Dabei helfen wir. Passiert das nicht, muss die Maschine im schlimmsten Fall irgendwann am Boden bleiben."

Es geht darum, dem Kunden Um- und Nachrüstungen der Avionik so einfach wie möglich zu erklären.

Herr Opelt, kommt denn aus Ihrer Sicht wirklich irgendwann der Zeitpunkt, an dem ein Business Jet ohne ADS-B Out am Boden bleiben muss?


"Die aktuelle Deadline für in Europa zugelassene Flugzeuge ist der 7. Dezember 2020 – Stand jetzt dürfen dann eigentlich keine Business Jets mehr fliegen, die kein ADS-B Out haben. Eine Ausnahmeregelung gilt laut der EASA-Regulierung 2020/587 für Flugzeuge mit einem „first individual Certificate of Airworthiness“ vor dem 7. Juni 1995. Das ist wie ein Oldtimer-Schutz für ältere Maschinen, deren Umrüstung viel zu kostenintensiv wäre.

Aber wir dürfen nicht vergessen: Das ADS-B Out betrifft die Luftfahrt allgemein, also auch alle großen Airlines. Nicht nur die Business Aviation. Das ist also eine große Aufgabe für die ganze Luftfahrtbranche. Nach dem Dezember 2020 gibt es noch eine Karenzzeit und Sondergenehmigungen, die an gewisse Bedingungen geknüpft sind. Wir sind schon einige Monate vor Juni, also der ursprünglichen Deadline, auf Nummer sicher gegangen und haben unsere komplette Flotte auf ADS-B Out umgerüstet.

Aber wir pokern nicht, wenn es um Luftfahrt geht. Ob das Mandat kommt oder nicht: Unsere Flotte ist modernisiert und bereit.

Erfahren Sie mehr über unsere Corporate Jet Charterflotte

Herr Opelt, wieso sind Avionik-Prozesse wie ADS-B Out so schwer zu erklären, obwohl sie so wichtig sind?


"Die technische Vermittlung an sich ist nicht schwer. Es ist aber eben sehr viel Geld im Spiel. Es ist ja so: Wir sprechen meist mit den Personen, die Business Jets im Auftrag der Eigentümer verwalten. Das sind Techniker, die durchaus verstehen, dass ADS-B Out nötig ist. Bei älteren Business Jets ist für viele nicht einmal klar, ob nicht sogar ein neues Flugzeug mehr lohnt als die Umrüstung. Andere warten offenbar erst einmal ab, ob sich die Behörden noch umentscheiden. Viele Kunden, die ihren Business Jet nur für ihr eigenes Business nutzen, um von A nach B zu fliegen, sind vorsichtiger. Andere, die ihren Business Jet verchartern oder die das Flugzeug abwechselnd mit anderen Passagieren nutzen, rüsten eher nach – da wäre es besonders ärgerlich, wenn die Flugzeuge gegroundet werden müssten."
 

Glauben Sie, es ist ein generelles Kommunikationsproblem in der Branche? Sehen die Besitzer die Relevanz, die Notwendigkeit nicht? Sie sagen selbst, es ist eine aufwändige Maßnahme.


"Bei alten Flugzeugen ist es durchaus ein großer Eingriff. Dann müssen wir viel austauschen, es fehlen viele digitale Grundlagen in der Avionik. Es ist kostenintensiv und die Umrüstung der Avionik ist unsichtbar für denjenigen, der es am Ende bezahlt."

Der Flugzeugeigner sieht gar nicht, was er bezahlt hat. Er muss das Geld ausgeben und sieht keine Veränderung, keine Verbesserung. Das ist das Kreuz, das wir als Avioniker tragen.

Das „Kreuz des Avionikers“?


"Ja. Wenn unsere Kunden bei meinem Kollegen Mark-André Mann ihr Interior Design im Business Jet verändern, sehen sie sofort eine Veränderung. Oder fühlen sie sogar, wenn die Sitzbezüge neu sind. Avionik kann in etwa vergleichbar so viel kosten, bleibt aber für den Besitzer des Flugzeugs ungesehen. Wer ein paar Hunderttausend Euro in die Avionik seines Business Jets investiert, muss nicht zwangsläufig einen Unterschied sehen. Der einzige „Benefit“ ist: Das Flugzeug darf fliegen. Diese gefühlte „Lücke“ zwischen unserem Aufwand und dem Ergebnis kann nur die oben erwähnte gute Kommunikation lösen. Wir müssen vermitteln, beraten, Entscheidungen absichern."

Müssen denn Piloten etwas verändern, wenn ADS-B Out kommt?


"Nein. Fast müsste ich sagen: leider nein. Denn auch sie verstehen dann nicht unbedingt sofort, warum ADS-B Out wichtig ist. Dass das die Lufttüchtigkeit des Flugzeugs kosten kann. Das macht es nur schwieriger zu vermitteln."

Avionik ist ein Kunstwort aus „Avion“ für Flugzeug und „Elektronik“. Es ist also Flugzeugelektronik. Zur Avionik gehören alle Instrumente im Cockpit: Autopilot, Kommunikation, Nachtsichtgeräte – ohne Avionik kann kein Pilot mehr fliegen. Alles, was der Pilot im Cockpit machen kann, ist Avionik.

Herr Opelt, ein bisschen gibt es da Parallelen zum Auto, oder? Auch da ist immer mehr Elektronik verdeckt unter der Motorhaube, es wird immer komplexer – und dadurch auch teurer.


"Das stimmt, übrigens auch im Cockpit. Wenn Sie im Auto einer bekannten E-Automarke aus den USA sitzen, besteht das Cockpit eigentlich nur noch aus Lenkrad und Tablet. In diese Richtung geht's auch beim Business Jet. Nur dass die Kriterien vielleicht noch etwas komplexer sind."

Welche Kriterien meinen Sie, bezogen auf Avionik?


"Es gibt zum Beispiel Kriterien für verschiedene Flugplätze – sind die nicht erfüllt, darf ich diese Flugplätze nicht anfliegen. Nicht jedes beliebige Flugzeug darf London City anfliegen, es muss ein Anforderungsprofil erfüllt sein."

Lufträume und Flughäfen auf der ganzen Welt haben spezifische Anforderungen an die Avionik. Die kennen wir und unterstützen unsere Kunden bei der Entscheidungsfindung.

Und wie sieht das in Zukunft aus, wird Avionik noch komplexer? Geht die Parallele zur Automobilentwicklung weiter?


"Ja, die Parallele zum Auto kann sich – zumindest auf ganz lange Sicht – fortführen. Ein Flugzeugcockpit mit nur einem Tablet – wie bei TESLA – ist denkbar. Alles wird digitaler, auch Business Aviation. Die Fluggäste können an Bord eigene Devices nutzen – immer mehr und unkomplizierter."

Es läuft alles darauf hinaus, dass Business Jets in der Business Aviation immer mehr mit der Welt vernetzt sind. Auch das ist Avionik.

Herr Opelt, jetzt haben Sie selbst vom autonomen Fahren gesprochen. Ist das eine Option für die Business Aviation?


"Autonomes Fliegen? Nicht kurz- oder mittelfristig. Im Vergleich zum Auto gibt’s ja dann noch mehr Variablen, mehr Achsen als nur vorwärts, rückwärts, links und rechts. Die Vertikale noch mit abzudecken, das wird schwierig. Die Abfragen, die da gleichzeitig stattfinden müssen, um so einen Business Jet autonom fliegen zu können, wären enorm. Und dann müssen die Luftfahrtbehörden das auch noch zulassen. Das alles dauert mindestens noch ein halbes Jahrhundert. Viel schneller wird sich aber das Berufsbild des Avionikers verändern."

Schon in ein, zwei Jahrzehnten ist der heutige Avioniker eher eine Art IT-Elektro-Avio-Mechaniker, also ein interdisziplinärer Beruf.

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